Kundgebung zum Internationalen Tag der Witwen
- andreahuber3
- Jun 23
- 3 min read
Seit letztem Herbst steht auf meiner To-Do-Liste «Netzwerkontakte konsultieren betreffend Witwenstreik». Mir geht es leider so wie den meisten Witwen mit jüngeren Kindern: Ich habe kaum Zeit für Extras. Es bleibt darum nur bei der Vorstellung, dass sich heute, am Internationalen Tag der Witwen, Tausenden von Betroffenen vor dem Bundehaus versammeln. Mit Schildern wie «Nein zur Sparübung», «Ihr kennt unsere Realität nicht», «Orden verleihen, statt Rente kürzen» protestieren wir gegen die geplante Revision.

Kein Mitglied des National- oder Ständerates ist verwitwet. Das ergibt zumindest meine kurze Recherche. Verwitwete haben auch in der Öffentlichkeit kaum eine Stimme. Beides schlägt sich in der Debatte zur Kürzung der Witwenrente nieder. Die Realität von betroffenen Familien wird völlig verkannt. Obwohl Witwen bereits heute ein erhöhtes Armutsrisiko haben, will der Bundesrat damit innerhalb von vier Jahren rund 350 Millionen Franken sparen. Der Vorschlag ignoriert alternative Vorschläge von Betroffenen und nimmt eine indirekte Diskriminierung von Frauen in Kauf (siehe unten).
SGK will keine Absicherung für Unverheiratete
Es ist kaum zu fassen: Bei ihrer ersten Lesung hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) des Nationalrates den Vorschlag des Bund in einem entscheidenden Punkt zusätzlich verschlechtert: Wer nicht verheiratet ist, soll auch künftig im Todesfall nicht über die AHV versichert sein. Soziale Sicherheit darf nicht vom Zivilstand abhängig sein!
Sicherheitslücken zum Teil erkannt
Ich wurde Witwe, als meine Tochter 10 Jahre alt war. Darum kenne ich die Realität von Betroffenen. In Kombination mit meinem beruflichen Hintergrund und Netzwerk fühle ich mich in der Verantwortung auf bestehende Lücken in der sozialen Absicherung hinzuweisen. Ich freue mich sehr, dass zwei meiner Anliegen in der ersten Lesung der SGK (Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit) des Nationalrates verstanden wurden.
Zum einen die Notwendigkeit einer Mindestrente für alle: Wer Beitragslücken hat, hat nach geltendem Recht keinen Anspruch auf eine Mindestrente. Diese liegt heute bei 1000 CHF monatlich für den hinterbliebenen Elternteil und bei 500 CHF pro Kind. Wenn die verstorbene Ehefrau oder der verstorbene Ehemann erst im Verlaufe des Erwachsenenalters in die Schweiz gezogen sind, bestehen immer Beitragslücken. Diese sind unverschuldet. Die geltende Regelung benachteiligt darum viele Familien. Die SGK möchte nun eine Mindestrente garantieren, sofern die verstorbene Person mindestens fünf Jahre Beiträge geleistet hat. Danke!
Zudem stellte ich eine Lücke fest bei den Familienzulagen: Nichterwerbstätige, welche Renten von über rund 42'000 CHF erhalten (kann kantonal abweichen), haben heute keinen Anspruch auf Familienzulagen. Ein Beispiel: Eine verwitwete Mutter, die Vollzeit ihre drei kleinen Kinder betreut, verliert bei Erhalt der Witwen- und Waisenrenten von über 42'000 CHF pro Jahr automatisch die Kinderzulagen von ca. 700 CHF/Monat. Das verletzt den Grundsatz «ein Kind, eine Zulage». Die Kommission hat erfreulicherweise einem Antrag zugestimmt, nach welchem die Hinterlassenenleistungen der ersten und zweiten Säule nicht mehr in das steuerbare Einkommen für die Familienzulagen von nichterwerbstätigen Personen einberechnet werden. Aus meiner Sicht, sollten auch erhaltene Krankentaggelder nicht mehr einberechnet werden. Denn oft folgt auf den Tod eines Elternteils eine längere Arbeitsunfähigkeit des anderen Elternteils.
Ein Versprechen wird gebrochen
Ganz sicher war ich, dass die SGK am Vorschlag des Bundesrates die fehlende Rechtssicherheit kritisieren würde. Falsch! Nur eine Minderheit war in der ersten Lesung der Meinung, dass laufende Renten gesichert sein sollen. Gemäss Vorlage sollen Renten nur für über 55-Jährige weiterlaufen. Für zahlreiche verwitwete Frauen und Mütter, vor allem im mittleren Alter, fielen so ganz unerwartet bereits laufende Renten weg. Das ist ein Vertrauensbruch für alle Betroffenen, die sich im Rahmen der heute geltenden Regeln für den Todesfall abgesichert hatten. Der Wegfall laufender Renten würde in vielen Fällen eine ohnehin schon angespannte Einkommenssituation erheblich verschärfen, was häufig zu Altersarmut führt.
Indirekte Diskriminierung von Frauen
Von früher Verwitwung sind mit 70 Prozent mehrheitlich Frauen betroffen. Die vorgeschlagene Teilrevision der Hinterlassenenrente trifft Frauen darum überdimensional. Die Reform wurde notwendig, weil eine Diskriminierung von Männern beim Rentenanspruch bestand. Es darf nicht sein, dass die Antwort darauf in der Wirkung eine Schlechterstellung der Frauen ist. Diese Überlegungen müssen bei einer zweiten Lesung der Kommission beachtet und der weiteren Debatte berücksichtigt werden.
Wer ergreift das Referendum?
Verwitwete sind für die allermeisten Parteien oder Institutionen ein Randthema. Es gibt nur wenige Vereine wie AURORA - Kontaktstelle für Verwitwete mit minderjährigen Kindern - für welche die Absicherung von betroffenen Familien ein Kernanliegen sind. Aber ein solcher Verein ist nicht referendumsfähig. Wenn die Vorlage des Bundesrates nicht substanziell verbessert wird, wird ein Referendum aber notwendig. Ich hoffe, die Tragweite einer Revision, wie sie aktuell vorgesehen ist, wird für viele Akteure sichtbar - für Kinderrechtsorganisationen, Familienorganisationen, Gewerkschaften und Parteien. Es braucht Solidarität mit Betroffenen, deren Stimmen kaum vertreten sind. Der heutige Internationalen Tag der Witwen ist ein guter Startpunkt, um unsere Anliegen und Herausforderungen in dieser Debatte sichtbarer zu machen.
Zur Realität als Betroffene habe ich bereits einen Artikel geschrieben auf diesem Blog:
Siehe auch:
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